Bild- und Erzählband portraitiert Akteure und Betroffene in Faßberg und Berlin Menschen der Luftbrücke

FASSBERG. Die Berliner Luftbrücke hat viele Aspekte. Einer ist die logistische Leistung, mit der täglich allein an Kohle zeitweise das Volumen von 175 Güterwaggons von Westdeutschland nach Westberlin geflogen wurde. Ein anderer ist das politische Kräftemessen zwischen West und Ost. Mit einem ganz anderen Aspekt beschäftigt sich jetzt der Erzähl- und Bildband „Ich stehe heute hier als Berliner Luftbrückenkind“. Er stellt die Menschen in den Mittelpunkt, die die Luftbrücke miterlebt haben: die Akteure, zum Beispiel beim Kohlen verladen auf dem Fliegerhorst Faßberg, ebenso wie die Empfänger im blockierten Berlin.

 

Heute wurde das Buch im Rathaus Faßberg vorgestellt. Bürgermeister Frank Bröhl machte deutlich, warum die Luftbrücke für Faßberg eine besondere Bedeutung habe: „Die Luftbrücke hat für unseren jungen Ort mit Identitätsfindung zu tun. Faßberg wurde geplant, um Krieg führen zu können. Nach 1945 gab es einen Wechsel und die großartige Leistung der Luftbrücke.“ Rund ein Viertel der transportierten Güter seien von hier ausgeflogen worden. Damit sei von Faßberg auch eine „Brücke für Freiheit und Demokratie“ ausgegangen. Mit der Erinnerungsstätte Luftbrücke besitzt der Ort seit 1990 ein Museum, das an die Ereignisse zwischen Juni 1948 und Mai 49 erinnert. Der Vorsitzende des Trägervereins der Erinnerungsstätte, Paul Hicks, verfolgte das Ziel, „die Luftbrücke wieder aktiver in den gesellschaftlichen Fokus zu rücken und das Thema attraktiv zu vermitteln“.

Er wolle mit diesem Projekt direkt auf Menschen zugehen und sie emotional begeistern. Das gehe am besten über Zeitzeugenberichte und tolle Bilder. Letztere hat – abgesehen von den historischen Aufnahmen – Fotografin Bianca Paulsen beigesteuert. Die Faßbergerin hat sich an den alten Dokumenten orientiert und die Menschen an den Plätzen, teilweise auch in denselben Posen aufgenommen, in denen sie 1948/49 schon einmal fotografiert wurden. „Es war für mich eine Reise in die Vergangenheit und Gegenwart gleichzeitig“, sagt Paulsen, die sowohl in Berlin als auch in Faßberg fotografiert hat und auch für die Gestaltung des Buches verantwortlich zeichnet. Die Texte hat Paul Hicks anhand von Interviews mit Zeitzeugen verfasst. Am Textteil mitgewirkt hat außerdem Ludger Osterkamp, stellvertretender Vorsitzender des Fördervereins für die Erinnerungsstätte Luftbrücke Berlin, der sich wissenschaftlich schon zuvor mit der Luftbrücke auseinandergesetzt hat.

 

„Der Band verzichtet bewusst darauf, Zahlen und Fakten nachzuerzählen“, stellte Dr. Stephan Lütgert, Leiter des Erdölmuseums Wietze, in seiner Ansprache fest. Statt dessen setze er Menschen ins Bild, die in der Geschichtsschreibung nur am Rande vorkämen und verdeutliche den Alltag der Luftbrücke. Über die spektakuläre Versorgung Berlins aus der Luft, meinte der Geograph und Archäologe „In dieser Zeit wurde scheinbar Unmögliches möglich.“ Die Luftbrücke sei ein Weg zwischen militärischer Konfrontation und Rückzug gewesen. „Keiner wusste, wie lange das geht.“

 


Paul Hicks mit Horst Fandre, Bianca Paulsen und Dr. Stephan Lütgert (v.l.)

Ich stehe heute hier als Berliner Luftbrückenkind;
von Bianca Paulsen, Paul Hicks und Ludger Osterkamp

MHD Druck und Service GmbH Hermannsburg
ISBN 978-3-00-055263-2
19,95 Euro